Wie wir zum Termin unseres Festkonzertes kamen
Manchmal ist es hilfreich, von einer bestimmten Sache keine Ahnung zu haben.
So ging es uns bei der Festlegung des Termins für die Feier des 175. Geburtstages unseres Männerchors Rottluff. Das Jahr 1839 ist unbestritten das Gründungsjahr – aber ob es nun Frühling, Sommer, Herbst oder Winter war, das wissen wir nicht.
In die Überlegung, die Feier in den Herbst 2014 zu legen, platzte überraschend eine Nachricht unserer holländischen Freunde vom Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ aus Rotterdam: „Wir wollen wieder eine Chorreise nach Sachsen machen – und nach Böhmen noch dazu. Sie soll vom 21. bis zum 27. Mai 2014 stattfinden. Und zwar wollen wir ins Vogtland.“
So manche E-Mail ging noch hin und her zwischen Chemnitz und Rotterdam, bis fest stand, dass wir ein paar Tage mitkommen wollten in den IFA Ferienpark Schöneck. Und am Sonntag, dem 25. Mai sollten die Holländer musikalische Gratulanten bei unserem Festkonzert in Chemnitz sein.
Der Teufel steckt im Detail
Mitte Oktober 2013 fuhren wir zu sechst nach Schöneck: der Vorsitzende des Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“, Ger de Jong, sowie seine beiden Mitstreiter Aad de Lange und Henk Roggeveen sowie Elmar Müller, Günter Zeidler und Friedmar Erfurt vom Männerchor Rottluff.
In drei Tagen bewältigten wir ein Riesenprogramm in Sachsen und in Tschechien, besuchten mögliche Auftrittsstätten, Burgen, Kirchen, die Vogtlandarena und Gaststätten, beachteten Durchfahrtshöhen für die Busse und Möglichkeiten für ausreichende Pausen. Wir drei vom MCR brachten unsere Ortskenntnis ein, hielten uns aber auch zurück – letztlich ging es um die große Chorreise unserer Freunde. An der wollten wir zwar teilhaben, aber sie nicht bestimmen.
Für unser Jubiläumskonzert am 25. Mai verständigten wir uns auf einen gemeinsamen Abschluss, auf drei gemeinsame Lieder.
Monate angestrengten Übens vergingen. Unser Programm nahm immer mehr Gestalt an, vom befreundeten Seniorenchor der Volkssolidarität Chemnitz kamen zwei 1. Tenöre zur Unterstützung zu uns. Helmut Eppendorfer, unser langjähriger, gesanglich sehr starker 2. Tenor, ließ sich „reaktivieren“ und verstärkte unser Team.
Dann schockte uns unsere Liedermeisterin zunächst mit der Hiobs-Botschaft, genau in den letzten Vorbereitungs-Wochen zur Kur zu fahren. Doch auch das ließ sich reparieren – sprich: die Kur verschieben.
Endlich geht`s los
Als am Donnerstag, dem 22. Mai, die Mehrzahl unserer Mitglieder in den Sonderbus nach Schöneck stieg, war vor allem Freude auf die bevorstehenden gemeinsamen Tage mit unseren holländischen Freunden zu spüren.
Um es vorweg zu nehmen: es wurde eine sehr schöne und lehrreiche Zeit bei diesem – im Sport würde man sagen – Trainingslager.
Wir konnten uns bei den Auftritten der Sänger von „Prins Alexander“ eine Menge abgucken – von ihrer hohen Disziplin und ihrem ausdrucksstarken Gesang. Und wir übten mit ihnen die drei Lieder, die zu unserem Festkonzert den feierlichen Abschluss bilden sollten.
Am Freitag, dem 23. Mai, sang der Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ in der Stadtkirche Mylau.
Die Silbermann-Orgel mit ihrer anderen Stimmung machte es den Sängern nicht leicht.
Als Auftakt für einen langen Tag war das „Singen zur eigenen Freude“ ein Genuss.
Die Freude war groß, als es nach einem Besuch an der Göltzschtalbrücke – der größten
Backsteinbrücke der Welt – hinauf ging ins obere Vogtland, nach Tannenbergsthal.
Hier stand am Besucherbergwerk bereits unser Vereinsvorsitzender Elmar Müller mit seinem Wohnmobil – mit umgebundener Schürze empfing er uns zu einem erlebnisreichen Grill-Nachmittag. Die Werbung für unseren Sponsor war bereits weithin sichtbar aufgehängt – für die Sparkasse Chemnitz, deren treuer Kunde unser Chor seit 1911 ist.
Angesichts der Regen-Prognose wurden die Tische und Bänke vorsichtshalber ins Innere der nebenan stehenden Scheune gebracht. Doch dann dauerte es nicht lange und die Sonne kam heraus.
Bei Steak, Bratwurst, Kartoffelsalat oder Brötchen, Bier, Wein oder Limo verging die Zeit rasch. Manch alter Kontakt wurde aufgefrischt, einige fuhren ins Besucherbergwerk ein oder schauten sich das Vogtländisch-Böhmische Mineralienzentrum Schneckenstein an.
Schließlich hieß es aber doch, wieder die Busse zu besteigen und hinüber zu fahren nach Carlsfeld, wo uns an der wunderschönen Trinitatis-Kirche bereits Herr Pfarrer Lehmann empfing. Hier sollten wir – Aktive wie Zuhörer – einen der Höhepunkte dieser Reise genießen.
Schon die Anordnung der Sänger links und rechts auf der Empore in Höhe der Orgel war etwas Besonderes. Arjan Breukhoven meinte, so etwas habe er in seiner langen Laufbahn noch nie erlebt.
Die Zuhörer in der gut gefüllten Kirche dankten mit lang anhaltendem Applaus.
Die Busfahrt nachhause ins Hotel wurde zum Abenteuer, das Abendessen im IFA musste lange auf uns warten. Etwas zu viel Vertrauen ins „Navi“ und die Höhe des niederländischen Doppelstock-Busses von fast 4 Metern, die Nebenstrecken verbot, verhalf uns zu einer wunderschönen Vogtland-Rundfahrt. Strahlender Sonnenschein und klare Luft nach der durchgezogenen Kaltfront sorgten dafür, dass sich das Vogtland von seiner schönsten Seite zeigen konnte.
Echten Hunger hatte sowieso niemand – Elmars Grill-Team hatte ihn am Nachmittag vertrieben.
Vogtlandarena und Musikpavillon
Skispringen ist nicht gerade die Sportart, der die Niederländer frönen. Beim Besuch an der Vogtlandarena in Klingenthal aber zog es sie in Scharen zum Lift, der sie hinauf
beförderte zur luftigen Aussicht vom Anlaufturm der Sprungschanze. Wenn man denn schon einmal hier ist im sächsischen Skisprungzentrum, dann ist der Besuch ein „Muss“! Ein kleines Schaudern zeigte jeder bei der Frage, ob er da mal…
Aber uns Deutschen ging es auch nicht besser.
Was wir dann bei der Ankunft in Bad Elster erlebten, war ein Abenteuer der besonderen Art.
Diesmal war es seitens unserer holländischen Freunde kein „Singen zur eigenen Freude“ in Zivil, sondern ein offizielles Konzert in Choruniform. Die Chursächsische Veranstaltungs GmbH hatte es in Ihr Programm aufgenommen und beworben. Stattfinden sollte es im Musikpavillon am Kurpark. Die Busse fuhren so nahe wie möglich heran, an der Abbiegung vorm König-Albert-Theater hielten sie und ließen Sänger und Begleitung aussteigen.
Da aber setzte Regen ein, nein, kein normaler Regen – es schüttete wie aus Kübeln. Alle flüchteten so rasch wie möglich unter ein schützendes Dach oder wenigstens unter einen Regenschirm. Nur einer stand im strömenden Regen auf der Kreuzung, dirigierte den Verkehr, wies die Busse beim Rückwärts-Stoßen ein: unser Chor-Vorsitzender Elmar Müller.
Die Busse entfernten sich und Elmar stand da wie eine gebadete Maus. „Erkälte Dich nicht!“ „Keine Angst, das kriege ich auch hin!“
Nach geraumer Zeit – die Sonne schien schon wieder – stand er da, in trockenen Sachen. Er hatte im Kurbad um Benutzung der dortigen großen stationären Föhne gebeten, war erhört worden und konnte so Stück für Stück seine Kleidung trocknen…
Inzwischen bahnte sich im Musikpavillon „volles Haus“ an, wir holten alle verfügbaren Reserve-Stühle heran – und trotzdem mussten einige Zuschauer stehen.
Als der Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ zum ersten Lied ansetzte, prasselte draußen mal wieder Regen gegen die Scheiben. Drinnen waren nicht nur die Zuschauer begeistert, nein, auch die Aktiven: sie fanden die Akustik hervorragend.
Ob bei Schuberts „Die Nacht“ oder Händels „Dank sei Dir, o Herr“ oder all den anderen Liedern – immer war neben dem sängerischen Können auch die große Freude am Singen zu spüren.
Eine Sitzpause für die meist auch nicht mehr ganz jungen Sänger gab es durch die
Solisten – Marjolein de Wit mit der Flöte, begleitet von ihrem Mann Martin Zonnenberg am Flügel, oder Arjan Breukhoven und Martin Zonnenberg vierhändig am Klavier.
Ein wie wild klatschendes, aufgestandenes Publikum dankte den Aktiven, eine Zugabe musste natürlich her – und dann bat Arjan das Publikum in seinen Fotoapparat zu winken. Da war schon ein bisschen Rührung dabei.
Wir hatten mit der Leitung des Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ abgestimmt, dass wir die Gelegenheit dieses Konzertes nutzen wollten, ihnen offiziell zu danken und die Erinnerungsplaketten zu unserem 175-jährigen Jubiläum zu übergeben. So stellte unser Sangesbruder Friedmar Erfurt dem Publikum kurz die Geschichte unserer Partnerschaft dar. Und Ger de Jong, der Vorsitzende des CMKPA, übergab Elmar Müller eine wertvolle Statuette als Geburtstagsgeschenk unserer holländischen Freunde.
Das Publikum blieb bis zum letzten Wort interessiert am Platze und dankte nochmals mit viel Beifall – eine gelungene Veranstaltung.
Festkonzert am 25. Mai in der St. Georg Kirche Chemnitz-Rabenstein
Wie hatten wir alle diesem Tag entgegen gefiebert, am Vorabend nochmals mit unseren holländischen Freunden geprobt. Wir brauchten vor allem Eines: etwas Ruhe und innere Gelassenheit trotz aller Konzentration auf die bevor stehende Aufgabe.
So hatten wir uns denn auch entschieden, nicht erst an dem von „Prins Alexander“ begleiteten Gottesdienst in der Plauener Johanniskirche teilzunehmen, sondern sofort von Schöneck nachhause zu fahren.
Die meisten von uns standen schon gegen 14 Uhr in der St. Georg Kirche Chemnitz-Rabenstein bereit, um letzte Hand anzulegen und sich einzusingen. Was wir alle erhofft, aber nicht so recht geglaubt hatten: die Kirche war brechend voll! Unsere intensive Öffentlichkeitsarbeit hatte Früchte getragen.
Wenn auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig infolge anderer Verpflichtungen an diesem Tag der Wahl zum Europaparlament und zur Stadtverordnetenversammlung leider nicht anwesend sein konnte, so hatten wir doch mit dem Landtagsabgeordneten der CDU, Herrn Peter Patt, sowie den Präsidenten des Sächsischen Chorverbandes, Herrn Sigo Cramer, und des Musikbundes Chemnitz, Herrn Thomas Schlimper, hochkarätigen Besuch. Und auch der Vizepräsident des Sächsischen Landtages, Herr Horst Wehner, wäre beinahe unser Gast gewesen – wenn, ja wenn die Kirche einen Behinderten gerechten Eingang gehabt hätte…
Als der a capella nicht ganz einfach anzustimmende Sängergruß „Ein Lied, so hell, so klar und rein…“ sauber gelungen war, wich die erste Spannung. Unser Sangesbruder Friedmar Erfurt führte sicher und locker durch das Programm „Männerchor im Wandel der Zeiten“.
Es stellte an Hand von Liedern – fast alle a capella gesungen – die Geschichte unseres Chores dar. Wie wir am Beifall merkten und auch später aus zahlreichen anerkennenden Worten, aus Briefen und e-mails erfuhren, kam diese Gestaltung ausgezeichnet an. Als zum Abschluss das Lied der „Toten Hosen“ – „Altes Fieber“ – mit dem vielsagenden Refrain „Und immer wieder sind es dieselben Lieder“ erklang, gab es Schmunzeln und Riesenapplaus.
Vor dem Auftritt der ersten Gratulanten – des Schulchores der Grundschule Rottluff – richtete Herr Pfarrer Dr. Hamel das Wort an die Versammelten und mahnte an, das zahlreich vorhandene christliche Liedgut nicht zu vergessen.
Unser Konzert bildete – zu unserer Freude – den Abschluss der Aktion „Chemnitz singt“ im Rahmen des Sächsischen Mozartfestes 2014. So sangen wir beim nachfolgenden Auftritt der Jüngsten, des Schulchores Rottluff, gemeinsam mit dem Publikum den Refrain des Liedes „Kein schöner Land“ mit.
Anschließend gab es zwei sehr beeindruckende Momente.
Zum einen war dies die Übergabe der Ehrenurkunde des Deutschen Chorverbandes zum 175. Jubiläum des Männerchors Rottluff durch den Präsidenten des Sächsischen Chorverbandes, Herrn Sigo Cramer. Dann bat überraschend Frau Gudrun Lindner ums Wort. Sie war unser Ehrengast, hatte an diesem Tage den musikalischen Nachlass ihres einst in unserem Chor singenden Vaters an uns übergeben. Sie zauberte eine Anstecknadel des Sächsischen Sängerbundes hervor und übergab sie Sigo Cramer. Starker Beifall dankte ihr.
Mit der Ankündigung „Horch, was kommt von draußen rein“ ging der musikalische Teil weiter. Das Chemnitzer Blechbläser-Quintett C-Brass war es, das da herein kam und eine Probe seines Könnens abgab.
Ja, und dann war es soweit – und unsere Rotterdamer Freunde vom Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ wurden angekündigt. Es sei, als wenn Bayern München zum Chemnitzer Fußball-Club käme – diese Worte wurden nicht enttäuscht.
Zur Auflockerung gab es Instrumental-Soli von Martin Zonnenberg und Marjolein de Wit. Das „Muss i denn zum Städtele hinaus“ ihrer Flöte wurde vom Publikum spontan aufgegriffen und mitgesungen.
Wie in Bad Elster donnerte der Chor Händels „Dank sei dem Herrn“ regelrecht heraus – und doch jederzeit kontrolliert. „Standing ovations“ – großartig!
War das noch zu überbieten?
Wir versuchten es gemeinsam, der Männerchor Rottluff kam mit nach vorn. Unter Arjans Leitung dankten wir mit dem in Holländisch, Deutsch und Russisch gesungenen „Ich bete an die Macht der Liebe“ ganz speziell der Kirchgemeinde Rabenstein dafür, dass sie uns die Kirche für das Festkonzert zur Verfügung gestellt hatte.
Der Bitte an alle Anwesenden, Mozarts Bundeslied „Brüder reicht die Hand zum Bunde“ mehr als ein Lied – als ein Vermächtnis – zu begreifen und einzustimmen, wurde entsprochen. Das Publikum sang mit!
Beifall, Beifall und Rosen durch die Kinder des Schulchores an alle Sänger – und als Dank dafür Süßigkeiten für die Kinder.
Dann gesellten sich die Blechbläser hinzu – und die Orgel stimmte an zu einem gewaltigen „Gloria, Gloria, Gott in der Höh“. Nicht nur für unsere Rosemarie Bonitz als Dirigentin war es ein großartiger Abschluss.
Zwei Tage später kam eine ältere Dame auf unseren Vereinsvorsitzenden zu: „Ich bin fast neunzig Jahre alt. Dass ich das noch erleben durfte!“
Es war von vielem Lob das Schönste!
In Memoriam Cor Hardenbol
Sänger leben länger! – Mit dieser unserer Losung haben wir uns nach dem ersten Teil unseres Konzertes vom Publikum verabschiedet.
Unter den Zuhörern saß ein Mann, den wir sehr schätzen und der gewissermaßen die Verkörperung unseres Losung ist: Cor Hardenbol vom Christelijk Mannenkoor „Prins Alexander“ aus Rotterdam ist 97 Jahre alt. Nach einer schweren Krankheit vor einem halben Jahr ließ er es sich nicht nehmen und kam mit nach Sachsen – auch wenn ihm momentan etwas die Luft fehlt, um mitzusingen. Dabei sein ist alles!
Wir werden Cor Hardenbol immer in ehrender Erinnerung behalten!